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Tiefseeenzym zersetzt PET

Forscherinnen und Forscher der Universitäten Kiel, Hamburg und Düsseldorf haben mit Hilfe komplexer Analysemethoden in einer Datenbank mit Wasserproben aus aller Welt ein Enzym identifiziert, das aus Urzeitbakterien, sogenannten Archaeen in der Tiefsee vor Venezuela stammt. Das neu entdeckte Enzym PET46 soll anders als die bisher bekannten Biokatalysatoren mit der Fähigkeit, Kunststoff abzubauen, warme Temperaturen aushalten und den Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) daher schneller aufspalten können. Diese Besonderheit und weitere biochemische Eigenschaften machen PET46 laut Forscherteam zu einem sehr interessanten Kandidaten für den Kampf gegen die Plastikverschmutzung sowohl im Meer als auch an Land.
 

 

 

Die Studie „An archaeal lid-containing feruloyl esterase degrades polyethylene terephthalate“ ist im September 2023 im Fachjournal Communications Chemistry erschienen. An ihr waren den Angaben zufolge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Arbeitsgruppe von Studienleiterin Professorin Ruth Schmitz-Streit von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) beteiligt sowie Forschende der Universität Hamburg und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). In der Studie habe erstmals anhand von Mikroorganismen aus der Tiefsee gezeigt werden können, dass Polymere wie PET kontinuierlich durch ein Enzym abgebaut werden. Laut Forscherteam erweitern die Ergebnisse sowohl das Wissen über PET-abbauende Enzyme, den zugrundeliegenden Mechanismus sowie das Verständnis darüber, wie viele PET-abbauende Enzyme es in den Weltmeeren geben könnte.
 
Laut Studie ist es erstmals gelungen, das PET-abbauende Enzym PET46 zu identifizieren und biochemisch zu beschreiben. Dazu wurde das Gen aus einer Tiefseeprobe anhand von Ähnlichkeiten zu bekannten Sequenzen identifiziert, das entsprechend kodierende Gen synthetisiert, das Protein in dem Bakterium Escherichia coli hergestellt und anschließend biochemisch und strukturell untersucht. Das aus Urbakterien (Archaeen) stammende Enzym PET46 hat laut Forscherteam viele ungewöhnliche Eigenschaften, unterscheidet sich deutlich von bisher entdeckten Enzymen und erweitert den bekannten Bestand PET-abbauender Enzyme um einen grundlegend neuen Bauplan. So erfolge der Abbauprozess mit PET46 durch einen anderen Mechanismus zur Substratbindung als bei bisher bekannten PET-abbauenden Enzymen: PET46 besitzt einen „Deckel“ aus 45 Aminosäuren oberhalb des aktiven Enzymzentrums, der sich positiv auf die PET abbauende Aktivität des Enzyms auswirkt. „PET46 ist aufgrund dieser Besonderheiten sehr robust, verträgt auch hohe Temperaturen und kann sowohl sehr langkettige PET-Moleküle, sogenannte Polymere, als auch kurzkettigere PET-Moleküle, sogenannte Oligomere, abbauen, wodurch der Abbau von PET kontinuierlich ablaufen kann,“ erklärt Studienleiterin Professorin Ruth Schmitz-Streit. Auch habe die Analyse von PET46 der Studie zufolge auf molekularer Ebene große Ähnlichkeiten mit einem anderen Enzym ergeben, der Ferulasäure-Esterase. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das das natürliche Polymer Lignin in Pflanzenzellwänden spaltet und abbaut. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten von Lignin und PET könnten PET-abbauende Enzyme wie PET46 etwa für die Kompostierung von Holz im Waldboden wichtig sein, vermutet Schmitz-Streit. Die Eigenschaften von PET46 sollen im nächsten Schritt noch verbessert werden, um den PET-Abbau noch effizienter zu machen. In Zukunft soll das Enzym industriell hergestellt werden und in speziellen Anlagen PET zersetzen. PET46 sei aber nur ein Ansatz, das Forscherteam untersuche auch Plastikabfälle aus dem Meer auf mögliche weitere Enzyme. „Das Ziel unserer Forschung ist es, neue Enzyme zu finden, die am Ende industriell PET recyceln können“, sagt Dr. Pablo Perez-Garcia, Mikrobiologe von der Universität Hamburg und Erstautor der Studie.
 
Die Forschungsergebnisse sind im Projekt PLASTISEA entstanden, das vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen „Neue biotechnologische Prozesse auf der Grundlage mariner Ressourcen – BioProMare“ gefördert wird.
 
Quellen:

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