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Mikroplastik schädigt Fische nicht

Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen einer Forschergruppe um den Fischereiökologen Jörn Scharsack vom Thünen-Institut in Bremerhaven führen die Mengen an Mikroplastik, die von Fischen in der Nord- und Ostsee aufgenommen werden, nicht zu Beeinträchtigungen der Fischgesundheit. Der Verzehr von Fischen aus den beiden Meeren stellt laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in dieser Hinsicht auch kein Gesundheitsrisiko für den Menschen dar.

 

Im Rahmen des Projektes „Plastikmüll in Meeresfischen“ (PlasM), das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wurde, untersuchte das Forschungsteam des Thünen-Instituts in mehreren Studien, inwieweit sich Mikroplastik auf die Gesundheit von Fischen auswirkt. Ziel des Projektes war, das Risiko durch Plastik in der Meeresumwelt für Fische besser bewerten zu können. Es umfasste den Angaben zufolge die Untersuchung von Fischarten aus Nord- und Ostsee auf Mikroplastik sowie die Analyse und Bestimmung von Mikroplastik in Fischen, um die im Meer gefundenen Mengen an Mikroplastik bewerten zu können. Wirkungsstudien mit Expositionsexperimenten sollten Aufschluss darüber geben, welche Folgen die Aufnahme von Mikroplastik für die Fischgesundheit hat.

Das Forschungsteam untersuchte in einem ersten Schritt Kunststoffabfälle und Fische aus Proben, die mit einem Grundschleppnetz aus Nord und Ostsee entnommen wurden. Die eingesammelten Kunststoffteile wurden mit Hilfe eines Verfahrens der Infrarotspektroskopie nach Polymertypen kategorisiert. Vor allem die Polymere Polyethylen, Polypropylen und Polyamid ließen sich demzufolge nachweisen. Ob die gefangenen Wildfische Mikroplastik mit der Nahrung aufgenommen hatten, wurde in Laboruntersuchungen der Verdauungstrakte von Klieschen und Heringen ermittelt.

 

In den beprobten Fischen konnten die Forscher nur in den Verdauungstrakten der Plattfischart Klieschen weniger als zehn Mikroplastikpartikel pro Fisch nachweisen. Die Analyse der Mikroplastikpartikel mittels bildgebender Infrarot-Spektroskopie ergab, dass der Kunststoff Polypropylen am häufigsten in den Verdauungstrakten der Fische vorhanden war.

 

In einem weiteren Experiment dienten die Nachkommen von Dreistachligen Stichlingen, die an der Wesermündung bei Bremerhaven gefangen wurden, als Versuchstiere. Die Forschenden gaben den Stichlingen neun Wochen lang ein Futter, das mit Polyesterfasern versetzt war. Für ihre Studie wählten sie kleinere Mikroplastikfasern (<0,3 mm), vergleichbar mit Fasern, die beim Waschen im Haushalt anfallen und die als Waschmittelabwässer in die Umwelt gelangen. Kleinere Fasern sind laut Scharsack und seinem Team bei Überwachungsstudien oft vernachlässigt worden, so dass bisher wenig über ihre potenziellen Auswirkungen auf die Umwelt bekannt ist. Zwei weitere Stichlingsgruppen erhielten zum Vergleich Futter mit Zusätzen natürlicher Baumwollfasern und Futter ganz ohne Faserzusatz. Die Konzentration der Mikroplastikfasern im Futter variierte von 0,2 bis 2 Milligramm pro Gramm Futter. Mit den höheren Mikroplastikkonzentrationen wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Aufschluss darüber erhalten, ob das Wachstum oder die Gesundheit der Fische beeinträchtigt werden können, wenn die Belastung der Meere mit Mikroplastik weiter zunimmt. Bei der anschließenden Untersuchung der Fische, ihrer inneren Organe, Immunzellen und des Darmtraktes konnten keine Auswirkungen auf das Wachstum und die Gesundheit nachgewiesen werden, und zwar unabhängig davon, ob die Fische Futter mit wenig oder viel Mikroplastikfasern, mit Naturfasern oder ohne Faserzusatz erhalten hatten. Die Mikroplastikfasern wie auch die Baumwollfasern wurden, wie mikroskopische Kot-Untersuchungen ergaben, über den Darmtrakt ausgeschieden.

Um herauszufinden, wie sich Mikroplastik für die Fortpflanzung und in frühen Entwicklungsstadien von Fischen auswirkt, setzten die Forscherinnen und Forscher des Thünen-Instituts in einem weiteren Experiment die Eiergelege von Stichlingen jeweils zur Hälfte vor der Befruchtung und während ihrer Aufzucht drei bis viermal höheren Mikroplastikkonzentrationen aus als sie in Nord- und Ostsee bekannt sind. Auch hier wurden Polyesterfasern aus PET verwendet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten so testen, ob Mikroplastikfasern im Wasser die Befruchtungsraten der Fischeier und die anschließende Entwicklung der Embryonen und Larven beeinträchtigen können. Sie untersuchten das Wachstum und das Heranreifen der Fischembryonen sowie ihr Immunsystem, um potenziell schädliche Auswirkungen durch die Aufnahme der Mikroplastikfasern zu erkennen. Die Ergebnisse der Laborversuche zeigen laut Studie, dass Mikroplastikfasern im Wasser auch die Befruchtung und frühe Entwicklung von Fischembryonen und Larven nicht beeinträchtigen.

Als Fazit aus ihren Untersuchungsergebnissen erwarten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts selbst bei höheren Mikroplastikkonzentrationen im Meer keine signifikanten Schädigungen der Fische und sehen auch kein durch Mikroplastik begründetes Gesundheitsrisiko für den Menschen durch den Fischverzehr.

Laut Scharsack sind die Studienergebnisse auch auf andere Fische und sogar auf andere Wirbeltiere übertragbar, weil das Darmsystem in seinen Grundstrukturen vergleichbar aufgebaut sei. „Ich würde so weit gehen, dass man sie im Prinzip auf alle Wirbeltiere übertragen kann. Unsere Untersuchungen zeigen nicht, dass die zunehmende Vermüllung des Meeres mit Plastik unproblematisch ist. Nur konkrete Hinweise, dass die Aufnahme von Mikroplastik die Gesundheit der Fische beeinträchtigt oder die Entwicklung hemmt, haben sich nicht ergeben“, so Scharsack.

Quellen:

 

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