Kunststoffabfälle im Meer stammen überwiegend aus der Fischerei
Ein großer Teil des Mülls, der sich im subtropischen Wirbel des Nordpazifiks zwischen Kalifornien und Hawaii im sogenannten „Great Pacific Garbage Patch“ (GPGP) angesammelt hat, entsteht laut einer aktuellen Untersuchung direkt auf See und wird von wenigen Ländern verursacht. Laut der Studie, die eine Forschungsgruppe der niederländischen Non-Profit-Organisation The Ocean Cleanup in „Scientific Reports“ veröffentlicht hat, finden sich in dem Müllstrudel überwiegend Fischernetze, Seile und andere Abfälle aus der industriellen Fischerei.
The Ocean Cleanup ist eine niederländische Non-Profit-Organisation, die Technologien entwickelt und auf See einsetzt, um die Ozeane von Plastikmüll zu befreien. Im Rahmen einer Reihe von Tests eines Säuberungssystems sammelte The Ocean Cleanup im Jahr 2019 Kunststoffabfälle aus dem nordpazifischen Müllstrudel ein. Unmittelbar nach der Bergung wurden die gesammelten Abfälle in zwei Fraktionen unterteilt: Zum einen Hartplastik (d.h. starre Objekte) und zum anderen Netze und Seile.
Ein Team um Forschungsleiter Laurent Lebreton analysierte die Fundstücke für die Studie, die durch Modellsimulationen sowie Erkenntnisse aus einer früheren ozeanographischen Mission ergänzt wurde, und konzentrierte sich dabei auf die Hartplastikteile. Die Hartkunststofffraktion wurde zunächst einzeln in 112 vordefinierte Kategorien aus neun verschiedenen Materialtypen sortiert. Dabei wurde die OSPAR-Konvention zugrunde gelegt, welche u.a. innerhalb ihres Monitoringprogramms auch Strandabfälle überwacht. So sollen die Ergebnisse mit Daten über Strandreinigungen vergleichbar gemacht werden. Sowohl intakte Gegenstände als auch Fragmente mit einer identifizierbaren Gegenstandskategorie, wie z. B. Teile einer Kiste, wurden dann entsprechend zugeordnet. Die Gegenstände wurden jeweils einzeln auf Hinweise auf das Herkunftsland wie zum Beispiel Sprache, Firmenname, Marke, Logo, sonstiger Text usw. untersucht. Zwei Drittel der Abfälle wiesen einheitliche Merkmale auf, so dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sie einer Kategorie zuordnen konnten. Bei dem Rest seien die Hartplastikteile durch Sonne und Salzwasser so stark zersetzt gewesen, dass nicht mehr erkennbar war, worum es sich handelte oder woher sie stammten.
Von den identifizierbaren Fundstücken machten Fischernetze und Fanggeräte für Aquakulturen der Analyse zufolge 26 Prozent der gesammelten Kunststoffgegenstände und 8 Prozent der Masse aus, Schwimmer und Bojen aus Kunststoff 3 Prozent bei einem Anteil von 21 Prozent an der Gesamtmasse. Kunststoffgegenstände, die mit Lebensmitteln und Getränken in Verbindung stehen, machten 13 Prozent der gesamten Kunststoffgegenstände aus und bestanden hauptsächlich aus Flaschenverschlüssen und Deckeln. Aufgrund ihres geringen Gewichts machten sie daher nur 1 Prozent der Gesamtmasse aus. Auf Haushaltsgegenstände schließlich entfielen 14 Prozent bzw. 16 Prozent der Anzahl und der Masse von Kunststoffgegenständen.
Auf über 200 Plastikstücken identifizierte das Forschungsteam Schrift in einer bestimmten Sprache. Chinesisch und Japanisch gehörten laut Studie zu den am häufigsten vorkommenden Sprachen, gefolgt von Englisch und Koreanisch. Bei insgesamt 232 Plastikteilen habe das Team die Herkunft anhand von Sprache, Text, Firmenname oder Logo feststellen können. Bei anderen Fundstücken konnte das Forschungsteam die Herkunft nicht ermitteln, zum Beispiel weil das darauf identifizierte Unternehmen international produziert. Schließlich bestimmte die Arbeitsgruppe die fünf Herkunftsländer, aus denen die meisten der eingesammelten Kunststoffabfälle im nordpazifischen Müllstrudel stammten: Japan, China, Korea, die USA und Taiwan - was Ergebnisse früherer Studien aus dem Jahr 2015 bestätige. Etwa zwei Drittel des Mülls stammte laut Analyse entweder aus Japan (34 Prozent) oder China (32 Prozent). Der Rest kam aus Korea (10 Prozent), den USA (7 Prozent) und Taiwan (6 Prozent).
Um nachzuvollziehen, wie und wo die Plastikteile ins Meer gelangt sind, nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Ausbreitungssimulationen des Transports von schwimmendem Meeresmüll, die sie mit ihrer Analyse der Zusammensetzung des Plastikmülls aus dem nordpazifischen Müllstrudel verglichen. So kamen sie zu dem Schluss, dass der Großteil mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht über Flüsse oder Küstenstädte, sondern über Fischereiaktivitäten direkt ins Meer gelangt war. Die Berechnungen der Forschenden ergaben, dass ein Plastikfragment in dem Strudel mit zehnmal höherer Wahrscheinlichkeit mit Fischereiaktivitäten zusammenhängt als mit Aktivitäten an Land. Bis zu 86 Prozent der aus dem Strudel analysierten Kunststoffteile gehen laut der Auswertung von Fischereifahrzeugen verloren oder werden von den Seeleuten zurückgelassen bzw. absichtlich weggeworfen.
Die Studie zeigt laut Lebreton und seinem Team, dass der größte Teil des schwimmenden Kunststoffs im subtropischen Wirbel des Nordpazifiks auf fünf industrialisierte Fischereistaaten zurückgeführt werden kann, im Unterschied zu neueren Bewertungen der Kunststoffeinträge in den Ozean, die auf die sich entwickelnden Küstenländer und Flüsse als Hauptverursacher der Plastikverschmutzung hinweisen. Der Fischereiindustrie kommt damit aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Verschmutzung der Meere durch Kunststoffabfälle zu. „Um den Zustrom von Plastik in unsere Ozeane zu stoppen, muss die Bekämpfung der Emissionen aus den Flüssen - der größten Quelle - oberste Priorität haben“, sagt Boyan Slat, Gründer und CEO von The Ocean Cleanup. „Um jedoch sicherzustellen, dass unsere Arbeit zur Säuberung des GPGP wirklich nachhaltig ist, muss auch der Eintrag von Fanggeräten gestoppt werden. Wir hoffen, dass unsere neueste Studie Organisationen und die Fischereiindustrie selbst in die Lage versetzen wird, diese andere Quelle der Plastikverschmutzung im GPGP anzugehen".
Quellen:
- Spektrum der Wissenschaft (3.9.2022)
- geo.de (6.9.2022)
- Industrialised fishing nations largely contribute to floating plastic pollution in the North Pacific subtropical gyre, Laurent Lebtreton, Sarah-Jeanne Royer, Axel Paytavin, Ingebor-Smeding-Zuurendonk & Matthias Egger, (1.9.2022)
- Foto: © The Ocean Cleanup