News Reader

Interview: Zur Kooperation bei Zero Pellet loss in Europa

Wie an anderer Stelle in diesem Newsletter berichtet, geht es beim Engagement gegen Granulatverluste voran. Das zumindest zeigt der Fortschrittsbericht zum OCS-Programm von PlasticsEurope, also dem paneuropäischen Verband der Kunststofferzeuger. Doch wie steht es um die Kooperation innerhalb der Wertschöpfungskette und innerhalb Europas? Wir haben bei drei Expert*innen nachgefragt und zwar bei

• Dr. Susanne Gfatter, FCIO Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs

• Gesa Junghanns, Covestro Deutschland AG

• Torben Knöß, IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.

Dr. Susanne Gfatter, FCIO (© Marko Kovic)

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Susanne Gfatter, FCIO (© Marko Kovic)

Gesa Junghanns, Covestro

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesa Junghanns, Covestro

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Torben Knöß, IK

 

Frau Gfatter, Frau Junghanns, Herr Knöß, Sie kennen sicher den Fortschrittsbericht zum OCS Programm von PlasticsEurope. Was können Sie aus Sicht Ihrer Branche zum Stand beim Engagement gegen Granulatverlust berichten?

GFATTER: Bereits im Jahr 2015 haben sich die österreichischen Kunststoffverarbeiter in dem Pakt „Zero Pellet Loss“ mit dem Umweltministerium zu einer Reduktion von Kunststoffgranulat verpflichtet. Die Unternehmen des Pakts decken rund 90 Prozent der gehandhabten Gesamtmenge an Kunststoffgranulat in Österreich ab. Innerhalb nur eines Jahres wurde von den teilnehmenden Unternehmen alle in ihrem Wirkungsbereich möglichen Maßnahmen umgesetzt. Durch das Engagement der Branche konnten die Granulatverluste auf unter 1 Kilogramm pro Tag erreicht werden.

JUNGHANNS: Die Kunststoffproduzenten haben in Europa bereits 2013 mit der Implementierung des Programms begonnen, damals noch unter dem Namen Zero Pellet Loss. Damit hat dieser Teil der Kunststoffwertschöpfungskette bereits viel Erfahrung mit der Implementierung. Bei anderen Partnern der Kette ist das Programm noch nicht so lange bekannt, und entsprechend muss hier noch aufgeholt werden. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, auch wenn man sich wünschen würde, dass es schneller ginge. Doch für eine ordentliche Implementierung entlang der Wertschöpfungskette müssen die Komplexität berücksichtigt und die zahlreichen Partner abgeholt werden.

KNÖSS: Die IK Initiative „Null Granulatverlust“ ist Teil des OCS Programms und wurde vor 5 Jahren ins Leben gerufen. Inzwischen nehmen 60% unserer Mitglieder an der Initiative teil. Leider spürt man hierbei auch den Einfluss der Corona Krise, da zunächst andere Themen bearbeitet werden mussten. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir diese Zahl im nächsten Jahr weiter steigern können.

Wie gut klappt bereits die Kooperation innerhalb der Wertschöpfungskette? Das OCS-Programm wirbt beispielsweise für eine übergreifende Zusammenarbeit bei der Implementierung eines europäischen Zertifzierungssystems Null-Pelletverlust.

GFATTER: Mit unserem nationalen Pakt sind wir Teil der europäischen Initiative „Operation Clean Sweep – Objective: zero pellet loss!“ Diese führt alle nationalen Programme auf einer Plattform zusammen und veröffentlicht regelmäßig Fortschrittsberichte. Gerade für Unternehmen, die mehrere europäische Standorte haben, ist ein gemeinsamer europäischer Außenauftritt zu begrüßen. Ab 2022 können Unternehmen direkt an der europäischen Initiative teilnehmen.

JUNGHANNS: Die Kooperation in der Wertschöpfungskette klappt mittlerweile gut. Es ist allerdings aufgrund der vielen unterschiedlichen Partner ein komplexer Abstimmungsprozess. Denn es müssen zahlreiche kleine Mittelständlern bis hin zu globalen Konzernen einbezogen werden. Aber ich finde, unser europäischer Dachverband PlasticsEurope macht hier eine sehr gute Arbeit. Und ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende ein gutes, anerkanntes Zertifizierungssystem haben werden.

KNÖSS: Das ist richtig und die Kooperation funktioniert ausgezeichnet. Ich selbst gehöre einem technischen Komitee an, in dem Vertreter von Kunststofferzeugern (PlasticsEurope) und Kunststoffverarbeitern (EuPC) europaweit über ein Zertifizierungssystem beraten. Hier werden in naher Zukunft auch noch Vertreter der Logistik und Recyclingbranche dazustoßen und mitarbeiten. Dabei werden übergreifend alle Erfahrungen und Erkenntnisse bezüglich der Granulatverluste gemeinsam gesammelt sowie bewertet, um die Effektivität der unterschiedlichen Maßnahmen zusammen einstufen zu können.

Die europäische Kommission fasst ebenfalls Maßnahmen gegen den Granulatverlust ins Auge, was eine gut funktionierende europaweite Zusammenarbeit der Industrie erforderlich macht. Wie steht es damit? Was muss aus Ihrer Sicht gegebenenfalls noch geschehen?

GFATTER: Die derzeit in Erarbeitung befindliche REACH-Beschränkung für Mikroplastik sieht eine Meldeverpflichtung für Granulathersteller und – verarbeiter vor. Derzeit arbeitet die europäischen Kunststoffverbände daran, dieser Verpflichtung durch Zertifizierungschema für OCS-Unterzeichner, das von externen Dritten auditiert wird, zu begegnen.

JUNGHANNS: Wichtige Partner und Multiplikatoren für das Gelingen der Kooperation sind die Kunststoffverbände. Hier sehe ich viel Bereitschaft, gemeinsam das Ziel Nullgranulatverlust zu erreichen.

KNÖSS: Bei der von Frau Dr. Gfatter erwähnten Meldepflicht sollen u.a. kunststoffverarbeitende Firmen jährlich die geschätzte oder gemessene Menge der Granulate melden, die in die Umwelt gelangt sind. Derzeit fehlen dafür aber Vorgaben, wie man diese Mengen abschätzen oder gar messen soll. Ein ganzheitlicher Ansatz ist aufgrund der vielen unterschiedlichen Massenströme und deren Toleranzen in den kunststoffverarbeitenden Firmen nicht in der Weise durchführbar, dass man solch geringe Mengen (<1kg) aufspüren könnte. Doch wie soll man etwas messen, bzw. wieder aufnehmen, was unabsichtlich emittiert wurde und nicht mehr am ursprünglichen Ort aufzufinden ist? Hier werden wir uns ggf. ein alternatives Konzept überlegen müssen.

Vielen Dank!

(Dezember 2020)

Zurück zur Newsübersicht