Ausstellung „Plastic World“ in der Kunsthalle Schirn
Kunststoff als Kunst-Stoff: Die Frankfurter Schirn widmet der Geschichte der Kunststoffe in der bildenden Kunst eine große Themenausstellung. Noch bis zum 1. Oktober zeigt PLASTIC WORLD Objekte, Assemblagen, Installationen, Filme und Dokumentationen aus fast sieben Jahrzehnten. Zu sehen sind über 100 Werke von rund 50 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Christo, Niki de Saint Phalle oder auch Tue Greenfort, der sich mit der Entdeckung eines Pilzes im Amazonas beschäftigt, der Polyurethan verstoffwechseln kann.
„Wir leben im Plastikzeitalter“, sagt Kuratorin Martina Weinhart. „Das Material bietet einerseits unglaubliche Möglichkeiten, gleichzeitig sorgt es für Probleme. Für die Ausstellung war es interessant zu schauen, wie ein Material so eine Karriere machen kann – von 'finden wir alle ganz toll' bis 'schrecklich, müssen wir unbedingt loswerden'.“ Diese Bandbreite der Wahrnehmung von Kunststoff spiegelt sich auch in den Feuilletonbeiträgen zur Ausstellung wider, in denen von einem „Material für Utopien“ und einem „tollen“ und „sagenhaften“ Werkstoff für die Kunst mit „ruiniertem Ruf“ bis hin zu einem „Training im Aushalten der Gegensätze“ die Rede ist. So sollen die Exponate in der Frankfurter Schirn neben der Geschichte und der faszinierenden Vielseitigkeit auch die Ambivalenz des Materials zeigen. Mal begegnen die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung grünem Schleim, der von einem hohen Hocker tropft, wie in einer Arbeit des Künstlerinnen-Kollektivs HazMatLab, bestehend aus Sandra Havlicek, Tina Kohlmann und Katharina Schücke. Mal zeigen Filmausschnitte aus den 1960er Jahren, wie bei einem Happening lange Folienschläuche mit Luft gefüllt werden und die Umstehenden mit den daraus entstehenden riesigen Luftschlangen spielen. Auch Arbeiten aus geschäumten Kunststoffen, etwa der US-Amerikanerin Lynda Benglis und des französischen Künstlers César, sind in der Ausstellung zu sehen. César ließ Polyurethanschaum zum Beispiel zu riesigen Fladen auf den Boden fließen, von Sideboards herunterquellen oder aus einer orangefarbenen Eierbox strömen und nannte diese Experimente Anfang der 1970er-Jahre „Expansionen“. Oder von der Decke baumeln knallbunte, aufblasbare Frauenfiguren, die berühmten „Nanas“ von Niki de Saint Phalle. Die Themen der Ausstellung reichen von Futurismus, Natürlichkeit und künstliche Schönheit bis hin zur Vergänglichkeit, von der auch manches Exponat betroffen ist. Die begehbare Installation „Anemones: An Air Aquarium“ des Künstlers Otto Piene, die er 1976 für die Organisation Creative Time in New York anfertigte, musste für die Ausstellung reproduziert werden, weil das Material des Originals porös geworden war, erklärt Kuratorin Weinhart. Auch jüngere Werke, die sich kritisch mit Kunststoff und seines unsachgemäßen Umgangs für die Umwelt auseinandersetzen, zeigt Plastic World. So verweist ein installativer Beitrag von Dennis Siering aus dem Jahr 2022 auf die täuschende Ähnlichkeit von gesteinsartigem Mikro- und Pyroplastik mit natürlichen Steinen. Und das Werk „Funghi decomposition“ des Künstlers Tue Greenfort, bildet einen Pilz aus dem Amazonasgebiet, der Polyurethan verstoffwechseln kann, künstlich als 3D-Druck nach. Die Ausstellung soll, so Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, über rein ästhetische und formale Aspekte hinaus zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Material Kunststoff einladen.
Quellen:
- fr.de (21.6.202)
- PM Schirn Kunsthalle (21.6.2023)
- sueddeutsche.de (21.6.2023)
- hessenschau.de (22.6.2023)
- daserste.de ´Titel, Thesen, Temperamente´ (2.7.2023)
- Foto: © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, Norbert Miguletz